Das digitalisierte Ladenlokal der Zukunft


Wie könnte das stationäre Reisebüro zukünftig digitalisiert erlebbar werden? Eine wichtige Frage, welche sich der stationäre Reisevertrieb stellen sollte, denn ein reiner Produktverkauf genügt nicht mehr – stattdessen ist Customer Experience DAS Stichwort. Die Mehrheit der KundInnen (oder Reisenden) suchen außergewöhnliche Erlebnisse bereits bei der Buchung. Ziel des Reisevertriebs sollte es deshalb sein, die mit dem Trend der Digitalisierung einhergehenden Wünsche und Erwartungen bei der Buchung zu (über-)treffen. Dadurch können Reisebüros besondere Kundenerlebnisse schaffen und sich in der digitalisierten Welt zukunftssicherer positionieren.

Diese Orientierungshilfe soll dabei als Impulsgeber fungieren und verschiedene Ideen und Möglichkeiten der Customer Experience aufzeigen. In welchem Rahmen diese Ideen und Möglichkeiten in Ihrem Reisebüro umsetzbar sind, muss individuell entschieden werden, denn obwohl eine stetige Anpassung an die digitalen Möglichkeiten wichtig ist, sollte die technologische Entwicklung zur Kundenkommunikation und -inspiration in Ihrem Reisebüro bedarfsorientiert stattfinden. Achten Sie also stets darauf, Ihre KundInnen mit digitalen Angeboten nicht zu überfrachten.

Welche digitalen Formate werden im Reisebüro gewünscht?

Eine Studie von Bitkom Research aus dem Jahr 2018 untersuchte das Buchungsverhalten von TouristInnen sowie die Wünsche von digitalen Elementen im Reisevertrieb. Folgende wurden dabei genannt (Auflistung erfolgt nach absteigender Häufigkeit ihrer Nennung):

  • Digitales Gerät zur Unterstützung bei der Beratung
  • Bildschirm mit 360 Grad Bildern
  • Live-Webcam-Displays von bestimmten Zielorten
  • VR-Brillen
  • Online-Terminvereinbarung

Eine erste Maßnahme für ein digitales Ladenlokal kann die Kommunikation über alle Kanäle und die Automatisierung von Abläufen sein. Das Automatisieren von einfachen Aufgaben, die Nutzung von künstlicher Intelligenz z.B. durch Chatbots im Kundenservice und die Erreichbarkeit des Reisebüros über Skype, WhatsApp, Facebook, etc. kann zu mehr Zeit und Freiräumen für die ExpedientInnen führen, welche zur Beratung, Information und Unterstützung der KundInnen genutzt werden können – Merkmale, die als entscheidende Kompetenzen und Stärken von Reisebüros gelten.

Bei der Beratung können beispielsweise Tablets oder Informationsdisplays eingesetzt werden. Bestückt mit Fotos, Filmen, interaktiven Weltkarten und aktuellen Wetterdaten runden ein interaktiver Touchscreen oder Videowände den Beratungsprozess ab. KundInnen haben die Möglichkeit, über diese Tools und freies WLAN in den Verkaufsräumen selbst zu recherchieren oder über die Technologie mit BeraterInnen zu interagieren.

Zusätzlich können Sie Live Webcams in der Reiseberatung nutzen, um Ihren KundInnen die Gegebenheiten vor Ort direkt zeigen zu können und damit ihre Reiselust zu wecken. Live Webcams lassen sich beispielsweise über Smartboards oder Table Beamer darstellen.

Der Einsatz von elektronischen Displays als Informations- und Werbeplattform im Geschäft, im Schaufenster oder an Außenflächen wird unter dem Begriff ‚Digitale Signage‘ zusammengefasst. Dazu zählen nicht Bildschirme mit 360 Grad Bildern, aber auch Bildschirme in Schaufenstern, welche Werbespots, Videofilme, Bilder oder die Öffnungszeiten anzeigen oder durch integrierten Touchscreen vom Kunden selbst gesteuert werden können, um eine Interaktion auch nach Ladenöffnungszeiten zu gewährleisten. Beispielsweise können Passanten mittels Einsatzes von künstlicher Intelligenz durch das Schaufensterdisplay über einen Sandstrand, durch Tempelanlagen oder auf einem Kreuzfahrtschiff laufen. Gleichzeitig werden dabei zusätzliche Daten erhoben. So können Reisebüros genau analysieren wie viele Personen am Schaufenster verweilen, welche Anzeige am besten funktioniert und wie viele der Passanten anschließend den Laden betreten. Aber nicht nur im Schaufenster, sondern auch im Ladenlokal selbst können Displays eingesetzt werden um z.B. Illusionen zu erzeugen. Leuchtende Unterwasserwelten, weite Dünenlandschaften, imposante Bergmassive oder auch Interaktionstische, bei welchen über eine Mediathek verschiedene Themenvideos ausgewählt werden, sind einige Beispiele wie Sie Ihren Kunden ihr Angebot präsentieren können. Die Bedienung der Interaktionstische ist intuitiv und ähnelt einem riesigen Tablet. Durch Swipe-Bewegungen, Start/Stopp und Lautstärkeregler lässt sich der Tisch bedienen.

Der Wunsch nach Online-Terminvereinbarungen kann als ein Baustein dem No-Line-Handel zugeordnet werden. Darunter wird ein durchgängiges online und offline Buchungserlebnis für die KundInnen verstanden. Es wird demnach nicht nur ein Kommunikationsmedium genutzt wie z. B. die Beratung vor Ort, sondern ein Ineinandergreifen verschiedener Komponenten führt zu einem zusammenhängenden Informationsfluss für die KundInnen. Dabei könnten sich Ihre KundInnen beispielsweise über die Webseite informieren und einen Termin im stationären Reisebüro oder per Videocall vereinbaren. Die anschließende Beratung erfolgt auf Grundlage der bereits online gesammelten Informationen über die Wünsche des/r Kund/in. Diese Wünsche (Nah- oder Fernziel, Wunschdestination, Reisezeitraum, etc.) können beispielsweise bei der Anmeldung zu einem Beratungstermin über einen kurzen Frage- und Anmeldebogen gesammelt werden (siehe MKR-Reisen). Über die Webseite können daraufhin noch weitere Dienstleistungen von KundInnen hinzugefügt werden, am Ende wird die Reise über die App gebucht und alle Unterlagen, Informationen und Last-Minute-Änderungen werden in der App gesammelt bzw. mitgeteilt. Hierzu sind allerdings weitere Tools notwendig, um einen No-Line-Handel zu ermöglichen. Die Integration von Produkten wie paxlounge oder TecOff Spider können dabei ein erster Schritt sein.

Um das digitale Einkaufserlebnis weiterzuführen, können Virtual-Reality-Brillen eingesetzt werden. Diese können die Customer Experience aufwerten und laden zum Bleiben ein. Die Stärke dieser Technologie liegt insbesondere bei der visuellen, akustischen und räumlichen Darstellung eines Reiseziels und liefert NutzerInnen damit zusätzliche Informationen. In der Tourismusbranche mit seinen immateriellen Produkten können solche zusätzlichen Informationen von entscheidender Bedeutung sein, denn KundInnen können somit Entscheidungen treffen, die auf realistischen Erwartungen basieren. Im besten Fall kann dies zu einem zufriedenstellenden Urlaub und Erfolg des Reiseziels führen. Beispielsweise ist Virtual Reality für Freizeitparks aufgrund der Interaktivität eine wirksamere Werbung als Broschüren. Ebenfalls steigt bei Museen das Interesse an einem physischen Besuch, wenn zuvor ein virtueller Rundgang durchgeführt wurde. Auch für Personen mit Reiseangst verschafft die Einbindung eines virtuellen Rundgangs psychologische Erleichterung. Allerdings profitieren besonders Beherbergungsunternehmen, Destinationen und Reiseveranstalter von einem VR-Einsatz, denn VR kann eine internetbasierte Beratung von komplexen touristischen Leistungen für die EndkundInnen vereinfachen. Die Wertschöpfungskette der Akteure könnte demnach um die Reisemittler gekürzt werden. Zudem können neue Akteure, welche durch die verbesserten Visualisierungsmöglichkeiten von VR in das Endkundengeschäft im Bereich der Einzelleistungen und standardisierten Produkte einsteigen, als Konkurrenz für Reisemittler vermehrt auftreten. Reisebüros müssen deshalb beachten, dass VR nicht ihre Kernkompetenz, die persönliche Beratung im Kundengespräch, substituiert, sondern als Aufwertung der Beratungsqualität genutzt wird. Die gesteigerte Beratungsqualität und der verbesserte Kundenservice durch den ausgewählten Einsatz von VR im Beratungsgespräch, könnte schließlich dabei unterstützen sich als serviceorientiertes Gegenstück zum weiterhin anonymen Internetverkauf zu positionieren.

Eine bisher eher noch futuristische Möglichkeit für den Aufbau eines digitalen Ladenlokals ist der Einsatz von Robotern. In der Reisebranche ist hierbei insbesondere „Pepper“ bekannt. Er fängt die KundInnen direkt am Reisebüroeingang ab, spricht sie an, analysiert die Reisewünsche anhand von Motiven auf seinem Bildschirm und leitet die KundInnen an eine/n „menschliche/n“ Reisebüromitarbeiter/in weiter. Auch Hologramme können im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz genannt werden. Es handelt sich dabei um scheinbar schwebende dreidimensionale Abbilder des Ursprungsgegenstandes wie Landschaften, Orte oder Cafés. In Reisebüros kann diese Technik demnach zur Inspiration und Überzeugung dienen. Weitergedacht könnte auch die Kommunikation zwischen ReiseberaterInnen und KundInnen via Hologramme stattfinden, in dem beide Seiten über ein passendes Smartphone die Hologramme des anderen aufrufen, darüber kommunizieren und die KundInnen zusätzlich Abbilder von Orten, Landschaften, Cafés und Hotels aus der Destination als Hologramm sehen können.

Welche nicht-digitalen Elemente weist das Ladenlokal der Zukunft auf?

Zwar ziehen digitale Elemente die Aufmerksamkeit und das Interesse auf das Reisebüro und können zu einer höheren Besuchszahl der Ladenfläche führen, doch auch der weitere Aufbau und Gestaltung der Ladenfläche mit nicht-digitalen Elementen kann entscheidend für die Aufenthaltsdauer der KundInnen sein. So wecken nicht nur virtuelle Bilder Lust auf Urlaub, sondern auch ein Empfangstresen im Stil einer Hotelrezeption, eine Hollywood-Schaukel, eine Beratung im Strandkorb oder in der Lounge mit Strandbar-Flair, eine Reiseführerbibliothek und Kunst aus bereisten Zielen kann für Inspiration sorgen. Zudem kann durch die Integration eines Cafés ein Treffpunkt für jedermann geschaffen werden.

Good Practices

The Q (DER Reisebüro Berlin)

Das "Reisebüro der Zukunft" von DER in Berlin schafft mit Tablets, 360° Virtual Reality Brillen, Filmen, großen Videowänden, Schaufensterdisplays mit interaktiver Steuerung und Tisch- und Bodendisplays eine riesige Inspirationsquelle.

World of TUI (Berlin)

Auch TUI bietet in seinem Flagshipstore viele Tools zur Inspirationssuche: LED-Wände, interaktive Weltkarte, Tablets und Reisebibliothek. Zudem ist eine Cafébar integriert, die zum Verweilen einlädt.

rtk reisen App

Die Reise-App der rtk bietet seinen NutzerInnen vielfältige Möglichkeiten. Von der direkten Betreuung durch das gewählte Reisebüro vor, während und nach der Reise, über Push-Nachrichten zu eingetroffenen Reiseunterlagen oder Reiseänderungen bis hin zu Wissenswertes über Hotels, Shopping, Restaurants, Sehenswürdigkeiten, Wetterberichte, Check- und Kofferpacklisten und Notrufnummern.

MKR-Reisen

Die Website von MKR-Reisen verfügt über die Option online Beratungstermine zu vereinbaren, wobei bereits bei der Terminvereinbarung ausgewählt werden kann, ob ein Nah- oder Fernziel, Rundreise oder nur eine kurze Beratung gewünscht ist.


Quellen

Amadeus (2017): Das Reisebüro der Zukunft. Online verfügbar unter https://amadeus.com/de/insights/blog/das-reisebuero-der-zukunft, zuletzt geprüft am 01.02.2022.

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